DOV-Faktencheck

Nachdem sich der Landesverband Mitte des Deutschen Bühnenvereins unverändert weigert, mit der DOV Gespräche über eine überfällige Anhebung der Aushilfshonorare um einen Inflationsausgleich seit 2004 zu verhandeln, kursiert seit Februar 2019 ein Schreiben der Orchestermanager des sogenannten „Kaffeekränzchens“. Dieses enthält verschiedene Behauptungen, denen wie folgt entgegenzutreten ist.

  1. Behauptung: die gegenwärtigen Aushilfssätze aus dem Jahr 2004 seien unverändert angemessen; wo anders (in Norddeutschland, in Ostdeutschland, in Wien) erhielten Aushilfsmusiker noch weniger.

Die Honorierung von Aushilfsmusikern kann nicht völlig losgelöst von der tariflichen Bezahlung der festangestellten Orchestermitglieder betrachtet werden, mit denen die Aushilfen für eine Probe oder Aufführung im selben Orchester zusammenarbeiten. Die Tariflöhne der TVK-Orchester sind seit 2004 um insgesamt 35,64% angestiegen.

Der Verweis auf angeblich niedrigere Aushilfshonorare an anderen Orten geht ins Leere. Denn im Zweifel sind auch diese Honorarsätze viel zu niedrig, weil sie ebenfalls seit vielen Jahren nicht mehr um die Inflationsrate bzw. allgemeinen Lohnabschlüsse erhöht worden sind. Sie scheiden als Bezugsgröße daher aus. Man kann auch die Stundenlöhne eines Klempners, Installateurs oder anderen Handwerkers für zweieinhalb Stunden Arbeitszeit plus Fahrtkosten zum Vergleich nehmen. Diese sind selbstverständlich in den letzten 15 Jahren regelmäßig nach oben angepasst worden. Auch für das Benzin, welches der Musiker bei An- und Abreise mit dem PKW benötigt, zahlt er bundesweit denselben Preis.

Der Beruf des/der Orchestermusikers/in ist hochspezialisiert, setzt eine akademische Hochschulausbildung voraus und diese Ausbildung beginnt – im Gegensatz zu anderen Berufen – grds. in der Kindheit. Daher dürfen Hochschulabsolventen auch ein angemessenes Honorar für ihre Tätigkeit erwarten. Wenn Aushilfsmusiker kurzfristig (gänzlich ohne vorherige Proben oder erst ab Haupt- oder Generalprobe) eingesetzt werden, z.B. um einen Vorstellungsaufall abzuwenden oder um vakante Stellen aufzufüllen, wird erwartet, dass sie sich ohne weiteres ins Orchester einfügen. Die hierfür zwingend erforderliche individuelle Vorbereitungszeit muss mit dem Honorar ebenfalls vergütet werden.

  1. Behauptung: das durchschnittliche Bruttogehalt eines Orchestermitglieds eines B-Orchesters betrage derzeit rund 100 € pro Dienst. Hiervon seien die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung in Höhe von 25 % abzuziehen. Der Nettoverdienst für Aushilfstätigkeiten liege daher um 25 % höher als im Dienstverhältnis und sei somit angemessen.

Diese Berechnungen sind irreführend und unzutreffend. Der festangestellte Musiker hat Anspruch auf 45 Kalendertage Urlaub pro Jahr sowie einen dienstfreien Tag wöchentlich.  Außerdem wird er durchgängig auch dann bezahlt, wenn er partiturbedingt gelegentlich nicht einsetzbar ist. Der Aushilfsmusiker wird nur für das bezahlt, was er tatsächlich leistet (Probe/Aufführung).

Die Grundvergütung eines Musikers in einem B-Orchester beträgt laut Tabelle gegenwärtig zwischen 2.962,60 € bis 4.085,75 €, im Mittel 3.524.18 €. Die mittlere Jahresvergütung (x 12,72) beträgt somit rechnerisch 44.820,57 €. Diese ist durch die Zahl der maximal möglichen Arbeitstage (365 – 45 Tage Urlaub -46 freie Tage = 274 Arbeitstage) zu dividieren. Hieraus errechnet sich eine mittlere Tagesvergütung von 163,60 € brutto.

Diese mittlere Tagesvergütung ist eine angemessene Orientierung für den aktuell für Aushilfen geforderten Probensatz von 152,59 € bzw. den Aufführungssatz von 223,80 €.

  1. Behauptung: es habe immer wieder Abstimmungsgespräche mit der DOV gegeben; die DOV habe immer ihr Einverständnis zu den bisherigen Honorarsätzen gegeben.

Dies ist nicht zutreffend. Die Orchestermanager räumen selbst ein, dass es seit 2004 keine Verhandlungen über die Honorarhöhe mehr gegeben habe. Sie bestreiten auch nicht die Höhe der seitdem in den Berufsorchestern erfolgten Lohnanpassungen als Inflationsausgleich in Höhe von 35,64 %. Die 2004 getroffene Festlegung der Honorarsätze ist durch die DOV gekündigt worden und daher als Grundlage für die Aushilfenhonorierung überholt.

  1. Behauptung: eine Erhöhung der Honorarsätze sei weder nachvollziehbar noch begründbar. Die vorhandenen Mittel würden schon jetzt nicht für die Finanzierung der Tarifsteigerungen, die „Kosten der Vakanzen ausreichen, erst recht nicht für die Anhebung der Aushilfssätze“.

Nochmals: die Forderung nach substanzieller Erhöhung der Aushilfshonorare folgt der vollzogenen Erhöhung der Tarifgehälter der Berufsorchester. Andernfalls wäre dieselbe Dienstleitung im Jahr 2019 ein Drittel weniger wert als im Jahr 2004. Das ist auch insbesondere freischaffenden Musikern, die keine weitere Festanstellung haben, nicht vermittelbar. Erhöhte Aushilfshonorare sind ebenso zu finanzieren wie die regelmäßige Erhöhung der Tarifgehälter.

Fakt ist: je geringer die erforderliche Honorierung von Aushilfskräften, desto höher der Anreiz für Orchesterträger mit Aushilfen, statt mit fest angestellten Orchestermitgliedern zu arbeiten.

Jede Dienstleistung hat einen Wert und einen Preis. Die Honorierung einer hochwertigen künstlerischen Dienstleistung, die von einem Aushilfsmusiker letztlich im Auftrag der öffentlichen Hand erbracht wird, muss sich an gewissen Mindeststandards messen lassen. Diese Mindeststandards werden für die festangestellten Musiker durch Tarifverträge gesetzt. Die Honorierung der Aushilfen muss sich an diesen Tarifvergütungen orientieren. Aus ihnen wird die mittlere Tagesvergütung (s.o.) als Orientierung abgeleitet.

  1. Die Orchestermanager „teilen die Auffassung, dass Sie (die Aushilfen) für ihre Tätigkeit eine angemessene Bezahlung erhalten müssen.“ Dieser Einschätzung sollten sie nun Taten folgen lassen. Was angemessen ist, haben wir mit Rundschreiben vom 31. Januar 2019 dargestellt und hier noch einmal erörtert. Jeder Berufsmusiker, der seine hochqualifizierte künstlerische Tätigkeit als Aushilfe nicht deutlich unter dem tatsächlichen Wert zu Markte tragen will, sollte daher eine entsprechend angemessene Forderung erheben.

Gez. Gerald Mertens

Geschäftsführer der DOV

www.dov.org